Bei Progressive Rock aus Großbritannien dürfte als Erstes der Name PORCUPINE TREE fallen. Gerade zu "In Absentia"-Zeiten haben die Mannen um Steven Wilson gezeigt, dass sich progressive Gesinnung und Pop-Appeal nicht auszuschließen brauchen. Ihre Landsmänner von FLICKER versuchen sich an einer ganz ähnlichen Ausrichtung.

Vielleicht ist der Albumtitel "How Much Are Willing To Forget?" in diesem Sinne programmatisch zu verstehen. Die Briten benennen PORCUPINE TREE ohne Gram als Einfluss, als bloße Kopie präsentieren sie sich jedoch keinesfalls. Zwar beginnen sie auf ihrem Debüt mit einem echten Ohrwurm, der aber in eine völlig andere Kerbe schlägt als 'Blackest Eyes'. 'Go' fungiert mit seiner tollen Gitarrenmelodie als Einstieg nach Maß. Der Song ist ein lupenreiner Single-Kandidat inklusive rockiger Ausrichtung, Ohrwurm-Refrain, einer tollen Gitarrenmelodie und einem Mittelpart, der Lust auf die wirklich progressiven Momente der Platte macht. "Progressiv" soll hier im Übrigen zur Beschreibung des Sounds und der Atmosphäre dienen, denn wirklich komplex im Sinne von "mit Kabinettstückchen und schrägen Takten" versehen sind die Arrangements nicht. Nein, FLICKER haben einfach ein Gespür dafür, wo welches Instrument seine beste Wirkung entfalten kann, welcher Gitarreneffekt am besten zur Musik passt, kurz: Es wirkt (fast) alles wie aus einem Guss!

Allerdings sollte man vom Einstieg nicht auf den Rest der Platte schließen. Es wird weitesgehend langsamer und fragiler. Hier und da kommt noch eine verzerrte Gitarre zum Einsatz, doch ansonsten dominieren Piano, Akustik-Gitarre, Streicher und allerhand Effekte das Klangbild. Trotzdem ist die Musik abwechslungsreich und vor allem schön. 'Counting Time' wirkt wie ein entspannter Popsong, obwohl sich auf siebeneinhalb Minuten Länge unzählige Details tummeln. Das Flamenco-artige Gitarrensolo vor 'Breathless' wirkt etwas aus dem Zusammenhang gerissen, ändert aber nichts an der Qualität der achtminütigen Nummer, die zwischen Trauer und Wut zu vermitteln versucht. Manchen könnte die CD im Schnitt zu langatmig und -weilig sein. Wenn man sich jedoch die Zeit und Muße nimmt die Musik auf sich wirken zu lassen, dann schafft es das Quartett genügend Widerhaken und Wiedererkennungswert zu schaffen, um einen bei der Stange zu halten. Das Ganze mündet in das traurig-schöne 'Is This Real Life?', in dem FLICKER ihren Landsleuten MUSE mal eben zeigen, wie sie die Streicher wieder mit Mehrwert einsetzen könnten. Ein wunderbar melancholischer Schlusspunkt, mit dem sich die Briten für höhere Aufgaben empfehlen.

FAZIT: "How Much Are Willing To Forget?" ist für Fans von träumerischer, fragiler und progressiver Rock-Musik genau das Richtige. Von FLICKER wird man sicher noch hören, auch wenn ihnen ein, zwei weitere rockige Nummern sicher gut zu Gesicht stehen würden. Wenn die Band am Ball bleibt und ihnen der Feinschliff gelingt, ist sogar das Erreichen der Progressive-Champions League drin.